PSYCH up2date 2023; 17(04): 277-294
DOI: 10.1055/a-1851-3910
Affektive Störungen

Burnout: Hintergründe, Konzepte, Perspektiven

Andreas Hillert
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Erschöpft, müde, gekränkt und/oder reizbar? Burnout bzw. Ausgebranntsein ist ein prägnanter Begriff, der niemandem erklärt werden muss. Er beschreibt Zustände, die als Nebenwirkung einer zunehmend aus den Fugen geratenen Leistungsgesellschaft von vielen Menschen als entsprechend fatal erlebt werden. Der Beitrag wirft einen Blick auf die unterschiedlichen Perspektiven verschiedener Disziplinen auf das Burnout-Phänomen.

Kernaussagen
  • Burnout wurde von einem Betroffenen, dem Psychotherapeuten Herbert Freudenberger, „entdeckt“. Im Sinne eines „Batteriemodells“ führt demnach längerfristige (berufliche) Überforderung und damit einhergehender Energieverlust zu interindividuell unterschiedlichen seelischen und/oder körperlichen Symptomen (Leitsymptom: Erschöpfung, Somatisierung, reduzierte Flexibilität und Kreativität).

  • Als Symptomatik und Ursachen erklärendes, nicht stigmatisierendes Krankheitsmodell spiegelt Burnout die Bedürfnisse vieler sich überlastet und frustriert erlebender Menschen. Darüber hinaus bietet es sich für manifest Erkrankte als Erklärungsmodell ihrer Beschwerden an.

  • Christina Maslach definierte Burnout als aus 3 Faktoren bestehendes Syndrom: emotionale Erschöpfung, Depersonalisierung und reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit. Im Maslach-Burnout-Inventar (MBI) werden Symptome parallel zur subjektiven Attribution abgefragt.

  • Eine regelhafte Entwicklung von Burnout in mehreren Phasen ließ sich empirisch nicht nachweisen. Die These, wonach Burnout nur ehemals besonders engagierte Menschen treffe, wurde widerlegt.

  • Burnout entspricht genuin einem subjektiven Störungsmodell.

  • Unabhängig vom subjektiven Erleben eines Patienten muss eine nach professionellen Standards entsprechende psychiatrische Diagnostik erfolgen. Viele der sich als ausgebrannt erlebenden Menschen erfüllen nicht die Kriterien einer psychischen Störung.

  • Therapeutisch gilt es, auf das subjektive Störungsmodell der Betroffenen einzugehen und parallel dazu eine ggf. vorliegende psychische Störung leitliniengerecht zu behandeln.

  • Burnout ist keine Vorstufe der Depression, sondern die subjektive Perspektive auf „Überlastungsphänomene“! Depression wird nach Expertenkriterien diagnostiziert. Zwischen beiden Perspektiven gibt es Schnittmengen.



Publication History

Article published online:
11 July 2023

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